Perspektiven im Krisenfall
Inhalt

Formelle und informelle Instanzen in Einklang bringen

Quelle: Tom Nulens / Fotolia

Das Spannungsfeld zwischen den formellen Abläufen und den informellen Netzwerken fordert ein klares Vorgehen, wenn Amtswege beschritten werden müssen. Welche Zuständigkeiten und Hierarchien sollten bedacht werden?

Fallbeispiel Nico (8 Jahre) stört häufig den Unterricht, er hält sich auch in den Pausen oft nicht an die vereinbarten Regeln, und es kommt immer wieder zu Gewalt gegen andere Schüler:innen (hauen, schubsen, zwicken). Die Eltern verweigern Gespräche und Kooperation. Seine Klassenlehrerin versucht mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, die Situation in Griff zu bekommen, schließlich verfasst sie einen umfangreichen Bericht, in dem sie die Vorfälle der letzten Wochen schildert. Da ihr Bruder im behördlichen Umfeld des Bezirkes tätig ist, bittet sie ihn, den Bericht der zuständigen Sozialarbeiterin zukommen zu lassen. Als der Bericht die Sozialarbeiterin erreicht, ist die Lehrerin gerade in Krankenstand und für telefonische Rückfragen nicht zu erreichen. Ein Anruf seitens der Sozialarbeiterin bei der Bezirksschulinspektorin ergibt, dass diese über den Bericht nicht informiert ist. Als die Lehrerin wieder aus dem Krankenstand zurück ist, wird sie mit für sie unangenehmen Vorhaltungen konfrontiert, obwohl sie es doch „gut gemeint hat“ und sich für den Schüler engagieren wollte. Sie beschließt für sich, dass sich ihr Engagement nicht gelohnt hat, und bringt die letzten Wochen und Monate bis zu den Sommerferien noch irgendwie hinter sich, der Schüler wechselt im nächsten Schuljahr die Schule.

Gerade in schwierigen Situationen, bei unklaren Kommunikationsabläufen, in Krisenfällen ist wichtig: Bedenken Sie die Amtswege und Zuständigkeiten! Andernfalls kann es, wie bei der Kollegin im obigen Fallbeispiel, auf Sie zurückfallen.

Unterschieden wird zwischen den formellen und den informellen Strukturen.

Formelle Organisationsstrukturen:

Vielleicht verfügt ihre Schule über ein Schul-Organigramm? Hier sind die „offiziellen“ Positionen und Zuständigkeiten festgelegt, vielleicht sogar grafisch dargestellt. In weiterer Folge gibt es solche Strukturen auch über die Schule hinaus auf Sprengel-, Bezirks-, Landesebene. Wenn nun eine Schwierigkeit oder Unklarheit auftaucht, sollten Sie darauf achten, die „formal zuständigen“ Ebenen mit einzubeziehen. Je nach Problemfeld sind das Direktor:in, Schulpsycholog:in, etc. Daneben können Sie aber auch auf der informellen Ebene tätig werden:

Informelle Organisationsstrukturen

Parallel zu den „offiziellen“ Zuständigkeiten entstehen je nach handelnden Persönlichkeiten, Kontakten und Naheverhältnissen Parallelstrukturen. So entwickeln sich Netzwerke mit ganz eigenen dynamischen Machtverhältnissen. Sie existieren teilweise verdeckt, teilweise sind sie offengelegt und allen bekannt. Dadurch können in manchen Fällen mangelnde formelle Strukturen kompensiert werden: ungeklärte Zuständigkeiten, wenig kompetente Personen an Schlüsselpositionen. Improvisation und Engagement ermöglichen hier kreative Problemlösung. Andererseits können durch ausgeprägte informelle Netzwerke die formalen Zuständigkeiten aber auch unterwandert werden: Allianzen die sich gegen die eigentliche Führungsperson bilden, Unklarheiten bezüglich divergierender fachlicher Haltungen, usw.

Im oben angeführten Beispiel führte das informelle Netzwerk (Verwandtschaftsverhältnis, der Bericht wurde auf informellem Weg weitergeleitet) zwar zu schnellen und zielgerichteten Ergebnissen (die Sozialarbeiterin erhielt den Bericht und hat sich auch zeitnah damit befasst), jedoch wurden die formalen Zuständigkeiten gänzlich übergangen. Besser wäre es gewesen, zuerst die formale Struktur zu informieren (Direktor:in, in weiterer Folge z.B. Bezirksschulrätin), und die informelle Weitergabe des Berichtes in diesem Rahmen vorzuschlagen bzw. abzusprechen.

Mögliche Handlungsspielräume:

  • Analyse: Machen Sie sich die formellen und informellen Abläufe in Ihrer Schulumgebung und darüber hinaus bewusst.
  • Formelle Instanzen: Wer ist wofür zuständig? Wer muss worüber informiert werden? Wer darf nicht übergangen werden?
  • Informelle Netzwerke: Wer steht mit wem in Kontakt? Wer kann ausgleichen, falls auf dem formellen Weg keine Unterstützung möglich ist? Wer hat „unter der Hand“ das Sagen, bzw. wer hat großen Einfluss auf Entscheidungen?
  • Allianzen: Suchen Sie sich Kolleg:innen oder Vorgesetzte, die Sie bei ihrem Anliegen unterstützen, die vielleicht schon ähnliche Situationen durchgemacht haben und Ihnen helfen können, „Fettnäpfchen“ zu vermeiden.
    Nutzen Sie diese Allianzen auch für „Formulierhilfen“ von Berichten.
  • Netzwerke und Kontakte: Pflegen Sie diese informellen Beziehungen und halten Sie sie zwischendurch informiert.
    Formelle Amtswege und Instanzen müssen parallel dazu aber ebenso berücksichtigt und informiert werden!
Patronat
Quelle/n
Autor/-in
Anna Drenig
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