Behinderte Kinder und Jugendliche haben das Recht auf besondere Unterstützung, Förderung und Teilhabe an der Gesellschaft.
Ida und Christian sind 16 Jahre alt. Sie stehen am morgen früh auf, duschen, ziehen sich an, frühstücken, nehmen das Fahrrad und fahren zum Arbeitsplatz. Zwischen Aufwachen und dem Beginn der Arbeit brauchen sie etwa 1 Stunde, alles geht schnell.
Lisa und Lorenz sind auch 16 Jahre alt. Bis sie nach dem Aufwachen mit der Dusche fertig sind, ist schon eine halbe Stunde vorbei. Fast eine weitere Stunde brauchen sie bis sie sich angezogen und gefrühstückt haben. Noch eine weitere halbe Stunde ist notwendig, bis sie die Arbeitsstelle erreicht haben. Zwischen Aufwachen und dem Beginn der Arbeit brauchen sie mindestens 2 Stunden, alles braucht seine Zeit. Warum? Weil Lisa eine motorische Behinderung hat und Lorenz blind ist.
Lisa und Lorenz wollen selbstständig sein und sie lieben ihre Arbeit. Sie machen einen guten Job, der von dem/der ArbeitgeberIn geschätzt wird. Ihre Köpfe laufen auf Hochtouren und sie haben viele spannende Ideen. Nur der Körper kann mit der Geschwindigkeit der Gedanken nicht ganz mithalten. Lisa und Lorenz haben trotzdem Glück. Sie bekommen nicht nur die Pflege, die sie benötigen, sondern sie können auch aktiv mit ihrer Arbeit am Gemeinschaftsleben teilnehmen und werden gefördert.
Es gibt Jugendliche mit einer Behinderung, die nicht so viel Glück haben wie Lisa und Lorenz.
Viele Barrieren können ihr Leben erschweren. Hindernisse vor und in Gebäuden können verhindern, dass sie den Arbeitsplatz oder die Schule erreichen. Berührungsängste können dazu führen, dass Nicht-Behinderte von ihnen Abstand halten.
Vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten haben es Jugendliche mit Behinderungen besonders schwer: Wenn noch mehr geleistet werden muss, um konkurrenzfähig zu bleiben, kann es gut sein, dass sich eine Firma primär für Arbeitskräfte ohne Behinderung entscheidet, weil sie vermutlich schneller und produktiver sind.
Das Recht auf besondere Förderung bei einer Behinderung ist eine Aufgabe, die die ganze Gesellschaft betrifft: Einzelne Personen, Firmen, Organisationen und Behörden. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, kann die Inklusion von Jugendlichen mit Behinderung im Gemeinschaftsleben und in der Arbeitswelt gelingen.
Könntest du - wenn du eine motorische, akustische oder visuelle Behinderung hättest - in deiner Schule am Schulalltag teilnehmen? Könntest du von zu Hause deinen Arbeitsplatz ohne Unterstützung deiner Eltern erreichen, wenn du im Rollstuhl sitzen würdest oder wenn du blind wärst? Falls nein: Welche Probleme sollten bewältigt und welche Maßnahmen sollten umgesetzt werden, um dies zu ermöglichen?
Der erste Schritt für mehr Gerechtigkeit ist, dass man bewusst Barrieren erkennt und dass man Berührungsängste abbaut. Vielleicht arbeitest du irgendwann für eine Behörde oder für eine Fachstelle oder du wirst Architekt:in oder Bauingenieur:in: Was für eine Gelegenheit, Barrieren abzubauen! Und vielleicht entstehen durch die Begegnung mit Menschen mit Behinderung neue Freundschaften, die dir ermöglichen, die Welt mit ihren Augen zu sehen und von ihrer Perspektive aus wahrzunehmen.
Wer für ein Thema sensibilisiert ist und eine menschliche Beziehung aufbaut, erkennt neue Perspektiven. Vielleicht hast du heute den ersten Schritt getan, der das Leben anderer Menschen mit und ohne Behinderung in Zukunft verbessern wird.
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